Weihnachten steht vor der Tür. Zeit, das Schenken einmal genauer zu betrachten, ein wichtiges Symbol dieses Festes. Das Geschenk gilt gemeinhin als frei, selbstlos und spontan. Ganz so einfach ist es aber nicht, wie der französische Soziologe Marcel Mauss feststellt: „Sich weigern, etwas zu geben, es versäumen, jemand einzuladen, sowie es ablehnen, etwas anzunehmen, kommt einer Kriegserklärung gleich; es bedeutet die Freundschaft und die Gemeinschaft verweigern.“
Wie recht Mauss hat, wird zu keiner anderen Zeit deutlicher als an Weihnachten. Doch es ist nicht die Pflicht, die dem Geschenk seinen Zauber verleiht. Es ist die soziale Verbundenheit, die das Schenken zum Ausdruck bringt und die damit einhergehende Freude.
Ohne Gemeinschaft kein Geschenk
Die Bedeutung von Freude und Gemeinschaftsgefühl wird in kaum einem Film so plakativ dargestellt wie in Dr. Seuss‘ How the Grinch Stole Christmas! (1957). Der Grinch hockt auf Mount Crumpit, verachtet die sogenannten Whos unten im Tal und vor allem das Weihnachtsfest als Höhepunkt ihres Gemeinschaftslebens. Also schmiedet er den Plan, Weihnachten zu sabotieren, indem er alle Geschenke klaut. Am Weihnachtsmorgen will er triumphierend dem Jammern der Whos lauschen, doch welche Überraschung: Sie singen und feiern, als sei nichts passiert. In dieser Szene wird, natürlich idealisiert und überzeichnet, genau das Gefühl der Zusammengehörigkeit symbolisiert, das die Grundlage des Schenkens darstellt.
In diesem Sinne ist Gemeinschaft etwas durch und durch Positives – man ist füreinander da, kümmert sich umeinander. In der Geschichte von Dr. Seuss sind die Whos eine Bilderbuchgemeinde. Die Außenseiterrolle des Grinch und seine Verachtung für die Bewohner von Whoville sind allein Ergebnis seines schlechten Charakters – versinnbildlicht durch sein ,zu kleines Herz‘.
Gleichzeitig ist die Gemeinschaft jedoch immer auch etwas Exklusives. Diesbezüglich zeichnet The Grinch (2000), die Verfilmung mit Jim Carrey in der Hauptrolle, ein etwas realistischeres Bild: Hier wird der Grinch vor allem auf Grund seines Aussehens – grün und haarig – von den Whos aus dem Dorf und damit aus der sozialen Gruppe verstoßen.
Die Grenzen der Gemeinschaft sind auch die Grenzen ihrer Werte und Konventionen: So herzlich man sich den anderen Whos gegenüber verhält, so deutlich ist die Ablehnung gegenüber dem Grinch. Kein Wunder also, dass Weihnachten und das Schenken zum Ziel seines Angriffs werden. Und genau deshalb gibt es in pluralen Gesellschaften wie der unseren stets Debatten darüber, wer mit dem Feiern von Weihnachten ausgegrenzt wird.
Der Kern von Weihnachten: gifts, gifts, gifts?
Und auf noch eine andere wichtige Dimension des Schenkens in unserer Gesellschaft – gerade an Weihnachten – weist uns die neuere Verfilmung hin: die Wirtschaft. Vom korrupten Bürgermeister, der die Stadtverfassung, ,The Book of Who‘, nach seinen Interessen umdeutet, über seine Verehrte, die Weihnachten zu einem Wettstreit um die beste Festbeleuchtung macht – überall scheint es nur noch um das Materielle zu gehen. „[D]as private Schenken ist auf eine soziale Funktion heruntergekommen, die man mit widerwilliger Vernunft, unter sorgfältiger Innehaltung des ausgesetzten Budgtes, skeptischer Abschätzung des anderen und möglichst geringer Anstrengung ausführt.“ (Adorno)
Im Film sind es die kleine Cindy Lou Who und – wer hätte es gedacht – der Grinch, die die Whos davor bewahren, zu einer vom Markt dominierten Gesellschaft zu werden. Indem Cindy in kindlicher Unbefangenheit die Ausgrenzung des Grinchs und den Geschenkewahnsinn in Frage stellt, sorgt sie dafür, dass das Gefühl der Zusammengehörigkeit wieder ins Zentrum rückt.
Und diesmal darf und will auch der Grinch mitfeiern:
And the Grinch, with his grinch-feet ice-cold in the snow,
Stood puzzling and puzzling: „How could it be so?“
„It came with out ribbons! It came without tags!“
„It came without packages, boxes or bags!“
And he puzzled three hours, till his puzzler was sore.
Then the Grinch thought of something he hadn’t before!
„Maybe Christmas,“ he thought, „doesn’t come from a store.“
„Maybe Christmas…perhaps…means a little bit more!“
How The Grinch Stole Christmas
by Dr. Seuss
Photo credit: freakgirl via Visual hunt / CC BY-NC-ND